Interview for an ex-vegan

original interview in English (August 2010) 

Interview mit einem Veganer

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Ex-Veganer Rhys Southan (Let Them Eat Meat) interviewt Jack Norris.
1993 gründeten Jack Norris und Matt Ball Vegan Outreach, um eine Lücke zu schlieβen, die sie zu der Zeit in der Tierrechtsbewegung sahen. Mit freiwilligen Helfern verteilen sie jetzt jedes Jahr mehr als eine Million Broschüren, die die Praktiken der modernen Tier-Agrarindustrie zeigen, an College-Studenten.
Dadurch dass Jack Norris einen groβen Teil seines Lebens dem Aktivismus für Tiere widmet, kam er mit ehemaligen Veganern und Vegetariern in Kontakt, die aus gesundheitlichen Gründen wieder anfingen Tierprodukte zu konsumieren. Um herauszufinden, was der Grund hierfür war und was er tun könnte, wurde Jack Norris Diätassistent [registered dietitian] und gründete veganhealth.org - und auf seinem Blog jacknorrisrd.com räumt er mit veganen Ernährungsmythen auf (z.B. damit dass Veganer sich nicht besonders um B12 oder Kalzium kümmern müssten) und kommentiert neue für Veganer und Vegetarier relevante Studien.
Als ich die vegane Lebensweise Ende 2007 aufgab, hatte noch nie etwas von Jack Norris gehört. Hätte ich von seiner Existenz gewusst, hätte ich ihn vielleicht um Tipps gebeten, um die geistige Mattheit, an der ich litt, loszuwerden, bevor ich mich mit Lachs, Flunder und Thanksgiving-Truthahn selbst therapierte, die Wirkung genoss und den Veganismus für immer aufgab.
Wäre ich vielleicht noch vegan, falls Norris rechtzeitig eingegriffen hätte? Falls man seinem Ruf Glauben schenken will, scheint dies nicht unmöglich. Ich habe viele Veganer sagen hören, dass den Empfehlungen (Daily Recommendations for Vegan Adults) von Jack Norris zu folgen, der sicherste Weg sei, um ein Scheitern mit einer veganen Ernährung zu vermeiden. Es gibt eine ganze Menge Ex-Veganer, die es mit Rohkost, makrobiotischen oder fettarmen veganen Ernährungsweisen nicht hinkriegten, aber ich habe bis heute noch keinen Ex-Veganer interviewt, der gesagt hätte: „Ich habe alle Empfehlungen von Jack Norris befolgt und habe es trotzdem nicht geschafft, dass diese Ernährungsweise für mich funktioniert.“
Seine Position in der veganen Bewegung und die Bereitwilligkeit von Vegan Outreach, kontraproduktive Aspekte der veganen Bewegung zu kritisieren, ihre eigene Strategie neu zu überdenken und zu verbessern und Fleischesser als potenzielle Verbündete zu behandeln – machen Jack Norris zu einer der eindruckvollsten Persönlichkeiten, die heute für die Verbreitung des Veganismus arbeiten.
Dieses Zitat aus einem Vortrag, den Matt Ball vor einiger Zeit hielt, scheint den Ansatz von Vegan Outreach für Aktivismus für Tiere passend zu beschreiben:
„Das Wichtigste - unterm Strich - ist Leiden zu verringern. Alles muss hierauf hinauslaufen. Ich kann das nicht genug betonen: Das Einzige, das zählt, ist Leiden zu verringern. Wenn man das als das Was akzeptiert, ist die nächste Frage: Wie? Zu diesem Zeitpunkt und in diesem Land setzen wir uns für die Verbreitung von Veganismus ein. Aber Veganismus ist kein Ziel an sich. Wir setzen uns nicht für Veganismus ein, weil Veganismus gut ist. Veganismus ist nur ein Mittel, um Leiden zu verringern.“
Falls es Vegan Outreach darum geht „Leiden zu verringern” statt um Veganismus um seiner selbst willen, sollte Vegan Outreach dann nicht offen dafür sein, nicht-vegane Ansätze zur Verringerung von Leiden auszuprobieren? Muscheln zu essen, in der eigenen Region Tiere zu jagen, nicht-heimische Spezies zu jagen, Eier von mit Bewegungsfreiheit gehaltenen, befreiten Hühnern und Insekten zu essen sind alles nicht-vegane Methoden, um Leiden zu reduzieren. Führt konsumorientierter Veganismus - auch wenn er auf Ackerbau beruht - immer zu weniger Leiden als nicht-vegane Alternativen? Falls dies nicht so ist, warum erkundet Vegan Outreach diese Möglichkeiten nicht?
Wir wollen Leiden auf eine nachhaltige Art verringern. Ich habe kein Problem damit, wenn Leute Eier von befreiten Hühnern essen, aber man kann das nicht als realistisches Modell für die meisten Menschen anpreisen. Ich glaube nicht, dass zweischalige Weichtiere [Muscheln] bewusst Leiden empfinden können, aber es gäbe Umweltschutz-Bedenken, wenn man Ernährungsweisen auf Grundlage von Weichtieren empfehlen würde. Wenn jemand es schwer findet vegan zu sein und Muscheln zu essen würde das Problem lösen, hätten ich keine Gewissensbisse.
Ich habe gerade etwas über Forscher gebloggt, die denken, dass Insekten Schmerz empfinden können. Ich bezweifle, dass die meisten Spezies von Insekten leiden können und falls sich jemand zwischen dem Essen von Hühnern und dem Essen von Insekten entscheiden müsste, würde ich definitiv dafür stimmen, dass sie die Insekten essen.
Ich sehe nicht ganz, wie die Jagd auf Säugetiere oder Vögel zu weniger Leiden führen könnte als sich vegan zu ernähren. Ich tendiere dazu zu denken, dass man bei vielen Spezies wie z.B. bei denen, die in Rudeln leben oder die monogame Beziehungen haben, den hinterbliebenen Tieren indirektes Leiden verursacht - vielleicht sogar mehr als den Tieren, die man tötet.
Während die Gesellschaft sich entwickelt und das Leiden von Tieren immer mehr Interesse findet, wird auch der Anbau von Pflanzen immer mehr auf eine Art betrieben werden, die so wenigen Tieren wie möglich schadet.
Ich habe bereits mit vielen Ex-Veganern und Nicht-Veganern gesprochen, die sich bewusst ernähren und die das Leiden von Tieren verringern wollen aber die das Leiden von Tieren vom Tod von Tieren unterscheiden. Sie jagen z.B. Rehe und obwohl sie das Reh töten, um es zu essen, versuchen sie, dem Reh so wenig Schmerzen wie möglich zuzufügen. Für die meisten Veganer scheint das widersprüchlich zu sein. (Wie kann einem ein Tier wichtig genug sein, dass man nicht will, dass es leidet, aber man findet es in Ordnung, ihm das Leben zu nehmen?) Ist aus Ihrer Sichtweise das Töten eines Tieres nur schlimm, weil der Vorgang des Sterbens schmerzvoll ist – oder ist der Tod eines Tieres verwerflich unabhängig von Leiden?
Die Leben der Tiere sind jeweils ihnen selbst wichtig - und sie sind mir wichtig. Falls jemand meint, dass er absolut nur leben könnte, indem er Tiere tötet, dann kann ich verstehen, wenn er dies tut. Aber wenn du Tierprodukte essen musst, um gesund zu sein, warum musst du Rehe töten? Warum versuchst du nicht, Milchprodukte oder Eier von als Haustiere gehaltenen Hühnern oder Kühen zu essen?
Wenn jemandem das Leiden der Tiere, die sie jagen, wichtig ist, könnten sie auf humanere Weise jagen als mit Gewehren (oder Pfeil und Bogen) – vielleicht mit einem kleinen Pfeil, der nicht viel Schmerz verursacht und das Tier bewusstlos macht, so dass das Tier schmerzfrei getötet werden könnte. Das ist nichts, worüber ich mich besonders genau erkundigt hätte, weil es nicht realistisch wäre, das für alle zu empfehlen - es wäre für die Gesellschaft einfacher vegan zu sein.
In-vitro-Fleisch könnte eine andere Möglichkeit sein, die auf nachhaltige Weise vielleicht für die gesamte Gesellschaft möglich werden wird.
Manche Veganer sagen, dass die Absicht des Menschen wichtiger ist als das Ergebnis, z.B. es sei schlimmer, ein Reh zu erschieβen und es rasch zu töten, als wenn das Reh verhungert oder von einem Auto überfahren wird, weil in diesen Fällen Menschen nicht willentlich töten. Sind die Absichten egal, wenn das Ziel das Verringern von Leiden ist?
Soweit ich das verstehe, manipulieren die Forst- und Jagdbehörden die Umwelt, um Überpopulationen von Rehen zu erzeugen, so dass Jäger es besser politisch rechtfertigen können, sie zu töten. Wie dem auch sei, was mit dem Reh geschieht ist mir wichtiger als die Absicht in der Vorstellung irgendeiner Person. Wenn wir wirklich Rehe um ihrer selbst willen töten müssen, dann sollte man sie einschläfern und nicht mit Kugeln erschieβen.
Vegan Outreach bezeichnet veganes Essen als „ohne Grausamkeit“ [cruelty-free] - aber alle Lebensmittel bringen gewisses Tierleid mit sich. Warum ist das Töten von Tieren, um Getreide usw. anzubauen nicht grausam (sie werden aus ihren Lebensräumen vertrieben, erschossen und vergiftet, um die Saat zu schützen, oder sie werden vom Mähdrescher zerstückelt) - aber es ist grausam, Tiere zu töten, um sie zu essen?
Ich nenne das Argument, dass Veganer mehr Tiere töten als dass sie Tiere vor Leiden bewahren, das „Kollateralschaden-Argument“.
Das Kollateralschaden-Argument gilt nur für Tierprodukte, die von Tieren stammen, die mit Gras gefüttert wurden - normalerweise wird von Rindern, die Gras essen geredet. Wenn Tieren Getreide gefüttert wird, dann verursachen die Menschen, die diese Tierprodukte essen, ungewollterweise den Anbau von mehr Pflanzen, als Veganer das tun. Indem man also vegan wird, vergröβert man die Fläche, die frei lebenden Tieren als Lebensraum zur Verfügung steht.
Das Kollateralschaden-Argument gewann ungefähr um das Jahr 2000 eine gewisse Eigendynamik. Zu der Zeit postete eine Frau aus Garden City (Michigan) eine Umfrage, die sie mit 40 Getreidebauern überall in den USA gemacht hatte, im Vegan Outreach Forum (das es nicht mehr gibt). Die überwältigende Mehrheit der Antworten aus ihrer Umfrage besagten, dass Wirbeltiere selten bei der Ernte getötet werden.
2003 veröffentlichte Stephen Davis, Professor für Tierwissenschaften [Animal Science] an der Oregon State University, den Artikel „Least Harm Principle May Require That Humans Consume a Diet Containing Large Herbivores, Not a Vegan Diet” [Das Prinzip, am wenigsten Leiden zu verursachen, könnte erfordern, dass Menschen groβe Pflanzenfresser essen und sich nicht vegan ernähren.] (Journal of Agricultural and Environmental Ethics 16, no. 4 (2003): 387–94). Er argumentierte, dass jemand der mit Gras gefütterte Rinder isst, weniger Tiere tötet als jemand, der sich vegan ernährt. Es gab zwei akademische Antworten auf den Artikel von Stephen Davis.
Gaverick Matheny (Journal of Agricultural and Environmental Ethics 16: 505–511, 2003) argumentierte, dass „Davis einen mathematischen Fehler macht, indem er die geschätzte Zahl aller getöteten Tiere, anstatt die Zahl der pro Person getöteten Tiere verwendet. Zweitens konzentriert er sich auf die Anzahl, der in der Produktion getöteten Tiere und ignoriert das Wohlergehen dieser Tiere – und drittens rechnet er nicht die Zahl der Tiere mit ein, deren Existenz man eventuell verhindern kann. Wenn man diese Fehler korrigiert, wird die Argumentation von Davis zu einem starken Argument für – und nicht gegen – eine vegetarische Ernährung: Vegetarismus tötet weniger Tiere, führt zu besserer Behandlung von Tieren und ermöglicht wahrscheinlich einer gröβeren Anzahl von Tieren mit lebenswertem Leben die Existenz.“
Andy Lamey (Journal of Social Philosophy, Vol. 38 No. 2, Summer 2007, 331–348) argumentiert, dass die Zahlen die Davis verwendet, um die Anzahl der beim Nahrungsmittelanbau getöteten Tiere abzuschätzen, ein paar Fehler aufweisen (Einer davon ist, dass er Zahlen aus dem Anbau von Luzerne verwendet und Veganer keine Luzerne essen.). Lamey fasst seine Ergebnisse zusammen: „Nachdem ich die gleichen Studien wie Davis gelesen haben, ist meine eigene Schlussfolgerung, dass die Wissenschaft der Abschätzung der Todesfälle von Tieren beim Nahrungsmittelanbau noch in den Kinderschuhen steckt und keine gute Grundlage für weitgreifende Empfehlungen bietet. Davis selbst bemerkt, dass noch mehr Forschung auf diesem Gebiet nötig ist. Aber wir wissen nicht genug, um auch nur die groben Berechnungen anzustellen, die Davis aufzeigt.“
Wenn es eine Gesellschaft geben wird, in der groβen Teilen der Bevölkerung Tiere wichtig sind, dann gibt es wahrscheinlich Wege, um einen sehr groβen Teil dieser Todesfälle von Tieren, die bei der Ernte vorkommen, zu verhindern. Die vegane Bewegung arbeitet darauf hin, dass die Gesellschaft das Leben von Tieren als wertvoll ansieht, und vegan zu sein ist ein guter Schritt, um dieses Ziel zu erreichen und das meiste Leiden auf lange Sicht hin zu verringern.
Schon dadurch, dass wir am Leben sind, verursachen wir Tierleid. Könnte der Versuch, Tierleid so stark wie möglich zu verringern, logisch weitergedacht zu einem Argument für Suizid werden?
Ich fände es schwer, jemanden zu kritisieren, der, um zu überleben unbedingt töten muss - ob derjenige nun Tiere töten muss oder sogar Menschen. Aber in deiner Frage geht es um aus Versehen getötete Lebewesen und obwohl ich gesagt habe, dass die Konsequenzen wichtiger sind als irgendwelche Absichten, denke ich nicht, dass es fair ist von Tierrechtsaktivisten mehr zu verlangen als von Menschenrechtsaktivisten.
Zum Beispiel immer wenn wir Auto fahren, riskieren wir, andere Menschen zu töten. Trotzdem gibt es sehr wenige Menschen, die aus diesem Grund nicht Auto fahren - und trotzdem glauben die meisten dieser Leute, dass Menschen Rechte besitzen. Die meisten Menschen, die sich für Menschenrechte einsetzen, bezahlen Steuern und ein gewisser Anteil dieser Steuern finanziert die Verletzung der Rechte anderer Menschen, z.B. bei sogenannten Kollateralschäden im Krieg. Ist dies ein Argument dafür, dass Menschenrechtsaktivisten sich umbringen sollten? Ich glaube nicht.
Einige Utilitaristen umgehen dieses Problem, indem sie sagen, dass sie dadurch, dass sie am Leben sind und sich dafür einsetzen, Leiden zu verhindern, mehr Leiden verhindern als dass sie verursachen - sie haben also unterm Strich eine positive Auswirkung auf die Welt.
Ist das ein Teil Ihrer eigenen Überzeugungen und in Grund, warum Sie sich aktiv für Tiere einsetzen?
Nicht wirklich. Falls ich aufhören würde Aktivist für Tiere zu sein, würde ich nicht denken, ich müsste mich jetzt umbringen, um zu vermeiden, dass ich unbeabsichtigt den Tod von Tieren (oder Menschen) verursache.
Vegan Outreach verteilt Broschüren and College-Studenten in der Hoffnung, dass den Studenten die Augen aufgehen und um ihnen zu helfen, ihre Lebensweise in moralischer Hinsicht positiv zu verändern. Wo ist hier der Unterschied zu den Broschüren, die von Christen an College-Studenten verteilt werden, in denen steht, sie sollten das Licht erblicken und ihre Lebensweise ändern?
Das ist ein sehr interessanter Vergleich. Ich denke, passender wäre es, uns mit Studenten zu vergleichen, die Infomaterial verteilen, um andere Studenten dazu zu bewegen, Produkte aus Sweatshops oder menschlicher Sklaverei zu boykottieren.
In den Broschüren heiβt es, man könne durch Veganismus „Tiere retten“, was sich anhört, als ob lebende Tiere befreit werden. Aber da Tierzüchter ihre Tiere nicht freilassen, wenn die Nachfrage zurückgeht, wäre es da nicht exakter zu sagen, dass Veganismus „Tiere, die nicht existieren, davor bewahrt geboren zu werden“?
Ja, es wäre exakter zu sagen, dass wir „Tiere, die nicht existieren, davor bewahren geboren zu werden“. Wir versuchen nicht, die Leute zu täuschen – wir wollen, dass man unsere Sätze einfach lesen kann.
Da Verbesserungen der Haltungsbedingungen Tiere, die existieren, betreffen, wohingegen Veganismus für die Verteidigung von Tieren, die noch nicht existieren, eintritt, könnten Bemühungen für humanere Tierhaltung genauso wichtig sein wie Veganismus?
Falls alle, die Geld spenden, um Tieren zu helfen, bereit wären, diese Spenden der Verbreitung von Veganismus zukommen zu lassen, wäre es vielleicht dennoch am besten, das ganze Geld für die Verbreitung des Veganismus zu verwenden. Aber weil viele Menschen nicht für ein so radikales (in ihrer Sicht) Vorhaben Geld spenden würden, gibt es viel Geld, das dafür ausgegeben werden kann, die Tierhaltung humaner zu machen. Es gibt immer nur einen kleinen Prozentsatz von Leuten, die offen dafür sind vegan zu werden. Wenn wir einmal diesen Leuten unsere Botschaft genügend vermittelt haben, dann wäre es wahrscheinlich effektiver weitere finanzielle Mittel dafür zu verwenden, die Tierhaltung humaner zu gestalten. Gegenwärtig stehen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung, um die Tierhaltung humaner zu gestalten und für Höfe für befreite Tiere als für die Verbreitung von Veganismus.
Das Verringern von Leiden ist eine Art, um die Welt zu verbessern, aber Genuss zu steigern könnte eine andere Art sein. Spielen der Genuss, den Tierprodukte den Menschen bereiten, und die Opfer, die Veganer bringen, um vegan zu sein, eine Rolle beim Abwägen des Leidens? Falls dies so ist, könnte das dann einen Lebensstil, der Tierprodukte aus humaner Haltung mit einschlieβt (ein kleineres Opfer, um Tierleid zu verringern) attraktiver machen als Veganismus, der ein gröβeres Opfer verlangt, um Leiden zu verringern?
Etwas, das in dieser Berechnung fehlt, ist das emotionale Leiden der Menschen, denen die getöteten Tiere wichtig sind. Ich leide, weil ich weiβ, dass es in diesem Moment Lagerhallen mit Zehntausenden von Hühnern gibt, die verzweifelt versuchen, aus den Gitterkäfigen, die sich in ihre Körper schneiden, zu entkommen - oder Schweine, denen es seit Monaten nicht erlaubt wurde sich herumzudrehen oder umherzulaufen. Für manche Menschen ist es schrecklich schmerzvoll, mit so einem Wissen zu leben, und ich vermute, dass ein paar von den Aktivisten, die sich selbst das Leben genommen haben, dies, zumindest teilweise, deswegen getan haben, weil sie es nicht länger ertragen haben, über diese Dinge nachzudenken.
Ich weiβ, dass du darüber geschrieben hast, was für eine Last es für die Menschen ist vegan zu sein (sowohl für die Person, die vegan ist, als auch für deren Freunde und Familie), aber ich empfinde es nicht als eine solche Last vegan zu leben. Ich finde, es ist das Mindeste, das ich tun kann.
Während ich Leiden als gewichtiger ansehe als Rechte, haben dennoch die Tiere vieler Spezies meiner Ansicht nach Rechte. Die meisten Leute würden zustimmen, dass Menschen ein Recht auf Leben haben – und die Spezieszugehörigkeit eines Individuums sollte in dieser Hinsicht irrelevant sein, nur die Eigenschaften dieses Individuums sind relevant. Wenn wir also Menschen züchten könnten, die ein ähnliches Bewusstsein wie Schweine hätten, und sie dann auf humane Weise aufziehen und töten könnten und wir dies aber nicht tun würden, weil wir denken, dass dies ihre Rechte verletzen würde, dann sollten wir auch keine Schweine züchten und töten.
Die Leute scheinen zu denken, es gäbe irgendeinen magischen Unterschied zwischen der menschlichen Spezies und allen anderen Spezies. Aber warum ziehen wir die Grenze nicht auf Grund von Gattung, Familie, Klasse usw.? Ich bin mir der praktischen Gründe dafür bewusst – weil die meisten Gruppen von Menschen, die Möglichkeit hatten, für ihre Rechte einzustehen, wohingegen andere Spezies dies nicht konnten. Aber die Fähigkeit, politischen Druck auszuüben, um andere dazu zu zwingen ihre Rechte anzuerkennen, sollte keine Voraussetzung dafür sein, dass diese Rechte anerkannt werden.
Eines der Opfer, die ich bei der veganen Lebensweise sehe, ist die Entfremdung, die man empfindet, weil man 99 Prozent der Menschen als Mörder ansieht. Das scheint mir der Grund zu sein für die Klischeevorstellung des menschenfeindlichen Veganers. Ist es möglich zu glauben, dass Fleisch eines der groβen Übel der Welt ist, das für so viel Leid verantwortlich und - laut manchen Veganern - gleichbedeutend ist mit Sklaverei und Mord, und doch zu denken, dass fleischessende Freunde und Familienmitglieder keine schlechten Menschen sind?
Ich erinnere mich daran, dass ich früher nicht vegan war und dass viele Menschen dieses Thema nicht so klipp und klar sehen wie ich. Auβerdem bringt es niemandem etwas, wütend auf sie zu sein. Ich kann nicht sagen, dass es mir nichts ausmacht, dass sie keine Stellung beziehen wollen, aber ich finde Trost in der Vorstellung, dass sich die Dinge zum Besseren verändern.
Sie wurden Diätassistent [dietitian], nachdem Sie von vielen Leuten gehört hatten, die Veganismus aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hatten. Waren Sie bisher erfolgreich dabei, Veganern zu helfen, gesund und somit vegan zu bleiben?
Ich habe einigen Leuten geholfen, die entweder einen B12- oder einen Vitamin-D-Mangel hatten - und auβerdem habe ich der veganen Bewegung zur Kenntnis gebracht, dass verlässliche Quellen für diese Vitamine notwendig sind, was wahrscheinlich viele Veganer vor einem Mangel bewahrt hat.
Ich habe auch dazu aufgerufen, dass Veganer mehr Kalzium zu sich nehmen sollen. Es gibt viele vegane Ernährungsexperten [nutritionists], die Dinge sagen, die dazu führen, dass Veganer Kalzium selbstzufrieden vernachlässigen - das ist also ein andauerndes Bestreben von mir.
Manche Veganer wollen glauben, sie könnten das B12, das sie brauchen, durch Tempeh, Spirulina oder dreckiges Gemüse zu sich nehmen. Sogar einige führende Personen in der veganen Bewegung spielen das Bedürfnis von Vitamin B12 herunter. Warum wollen so viele Veganer glauben, sie müssten kein B12-Präparat einnehmen?
Weil sie glauben wollen, die vegane Ernährungsweise sei natürlich. Viele Veganer glauben, dass eine vegane Ernährung die natürlichste und deshalb die gesündeste sei - d.h. alle sollen aufhören Tieren zu schaden, um dann wie im Garten Eden zu leben. Ich verstehe den Anreiz dieser Vorstellung, aber Beweise dafür, dass sich die Evolution der Menschheit vegan vollzogen hat, existieren einfach nicht, abgesehen von der wichtigen Tatsache, dass das, was „natürlich“ ist, nicht notwendigerweise das Gesündeste ist.
Aber diesen Fehler machen nicht nur Veganer. Die Veganer, die ihre Ernährung auf eine Rückkehr nach Eden gründen wollen, sind meiner Meinung nach nicht lächerlicher als die Anhänger der „Steinzeiternährung“ [paleo diet], die in die Zeiten von Jägern und Sammlern zurückkehren wollen.
Es gibt Leute, die keine Lust haben, sich um gesunde Ernährung zu kümmern und regelmäβig ein Nahrungsergänzungspräparat einzunehmen oder beim Essen an die notwendigen Nährstoffe zu denken. Sind diese Leute als Mischköstler besser dran?
Falls diese Leute zufällig jeden Tag mit B12 und Kalzium angereicherte Sojamilch trinken, dann geht es ihnen gesundheitlich wahrscheinlich ungefähr gleich wie den meisten Mischköstlern. Falls sie das nicht tun, dann ist das schwer zu sagen, weil jemand, der sich als Veganer kaum um seine Ernährung kümmert, erhöht wahrscheinlich genau wie auch Mischköstler sein Risiko für chronische Krankheiten.
Falls ein Veganer überhaupt kein B12 über die Ernährung aufnimmt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis er akute gesundheitliche Probleme bekommt, d.h. er wäre dann an einem gewissen Punkt schlechter dran, solange bis er diese Probleme korrigiert.
Sie sind ein Kritiker des „gesundheitlichen Arguments“ für Veganismus, das besagt, Veganismus sei die allergesündeste Ernährungsweise. Was stimmt mit diesem Argument nicht?
Als Organisation, die sich für den Schutz der Tiere einsetzt, konzentrieren wir uns auf ethische Argumente, die Tiere und das Verringern ihres Leidens betreffen – und wir versuchen, keine Versprechungen über irgendwelche gesundheitlichen Verbesserungen zu machen, die eine vegane Ernährung eventuell nach sich ziehen könnte. Leider müssen wir bei unserer Tierschutzarbeit trotzdem auf Ernährung und Gesundheit eingehen, weil wir die Leute dazu auffordern ihre Ernährung zu verändern und deshalb wollen wir sicherstellen, dass wir einwandfreie Ernährungsempfehlungen geben.
Es ist erwiesen, dass eine vegane Ernährung für die meisten Menschen kurzfristig gesund ist. Querschnittstudien mit Veganern zeigen, dass sie niedrigere Cholesterin- und Triglyceridwerte haben und dass sie ebenfalls ein geringeres Risiko für Bluthochdruck, Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes haben.
Es stehen noch keine genauen langfristigen Information zur Verfügung, aber eine Gruppe von Forschern, die Studien mit Veganern durchgeführt haben, hat erklärt es gäbe keinen Grund zur Annahme, dass Veganer höhere Sterblichkeitsraten haben als andere Gruppen. Die groβe Anzahl von Kindern, die von Geburt auf vegan aufgezogen wurden und die allem Anschein nach in bester Gesundheit sind, ist ein Anzeichen dafür, dass eine vegane Ernährung alle notwendigen Nährstoffe liefert (vorausgesetzt Vitamin B12 wird zusätzlich eingenommen).
Da wir die Krankheitsraten von Veganern über längere Zeit noch nicht kennen, ist es unmöglich zu wissen, ob die durchschnittliche vegane Ernährung gesünder ist als die durchschnittliche Ernährung mit Fleisch oder ovo-lacto-vegetarische Ernährung. Zwei prospektive Studien, die von allen bisherigen Studien die meisten Veganer enthalten, sind im Gange und in den nächsten zehn Jahren werden wir die ersten Krankheitsraten haben.
Einige Menschen mit Herzkrankheiten konnten das Ausmaβ ihres Arterienverschlusses reduzieren und somit länger leben, indem sie sich an eine sehr fettarme (15% oder weniger der Kalorien), vegane oder fast vegane Ernährung gehalten haben. Aber Vegan Outreach ist keine Organisation zur Vorbeugung vor Herzkrankheiten - wir unterlassen es also, Ernährungspläne für Menschen mit Herzkrankheiten anzupreisen.
Die American Dietetic Association (ADA) sagt: „Die Position der American Dietetic Association ist es, dass angemessen geplante vegetarische Ernährungsweisen - einschlieβlich rein vegetarischer oder veganer Ernährungsweisen - gesund und bezüglich der Nährstoffe vollwertig sind und gesundheitliche Vorteile für die Prävention und Behandlung von bestimmten Krankheiten bieten können. Gut geplante vegetarische Ernährungsweisen sind geeignet für Personen in jeglichen Lebensstadien, einschlieβlich Schwangerschaft, Stillen, Säuglings- und Kleinkindalter, Kindheit und Jugendalter und für Sportler.“
Wie kann die ADA das wissen, wenn es noch nicht genug Forschung bezüglich der langfristigen Auswirkungen einer veganen Ernährung gegeben hat? Meint die ADA, dass Veganismus möglicherweise für jedes Lebensstadium für sich geeignet ist aber nicht notwendigerweise für alle zusammen?
Die Autoren dieses Positionspapiers machen diese Aussage auf Grund von zwei Schlussfolgerungen. Erstens haben sie Studien verschiedener Gruppen von Vegetariern und Veganern in verschiedenen Lebensstadien geprüft und sie für gesund befunden. Zweitens haben sie die bekannten Nährstoffbedürfnisse von Menschen in verschiedenen Lebensstadien untersucht und ermittelt, ob eine vegetarische oder vegane Ernährung diese Bedürfnisse theoretisch erfüllt.
Es wurden langfristige Studien mit „Vegetariern“ durchgeführt, von denen die meisten Lacto-Vegetarier oder Ovo-Lacto-Vegetarier waren - es waren aber auch einige Veganer dabei. In einer 1999 veröffentlichten Meta-Analyse dieser Studien war die Sterblichkeitsrate der Veganer mit 1,00 genau gleich wie die der gewöhnlichen Fleischesser. Da es so wenige Veganer in der Studie gab, halte ich das für vorläufige Daten. Ich würde annehmen, dass sehr wenige oder keiner dieser Veganer schon ihr ganzes Leben lang vegan waren. Es wird noch einige Zeit dauern bis es genug Veganer gibt, die von Geburt an bis ins Erwachsenenalter vegan leben, um die Raten chronischer Krankheiten von Menschen, die seit Geburt an vegan sind, zu messen.
Falls die neuen prospektiven Studien zeigen, dass auf lange Sicht die veganen Krankheitsraten höher sind als bei anderen Ernährungsweisen, wie würde das Ihre Perspektive und ihre Werbung für Veganismus beeinflussen?
Das wäre ein Problem.
Eine Studie hat gezeigt, dass Veganer höhere Raten an Knochenbrüchen hatten. Zum Glück hatten aber die Veganer in der Studie, die mehr als 525 mg Kalzium zu sich nahmen, die gleichen Raten wie die in anderen Ernährungsgruppen, was darauf schlieβen lässt, dass Veganer, wenn sie mehr Kalzium zu sich nehmen, keine Nachteile haben. Einige Veganer haben diese Ergebnisse nicht ernst genommen, aber meine Reaktion war, dass ich Veganern sage, sie sollen mehr Kalzium zu sich nehmen.
Das war eine einfache Lösung, aber andere Krankheiten sind vielleicht weniger einfach zu lösen. In der Zwischenzeit hoffe ich auf ein positives Ergebnis. Die meisten Anzeichen für Krankheiten (Cholesterinwerte, Typ-2-Diabetes usw.) aus Querschnittstudien mit Veganern geben uns Grund optimistisch zu sein.
Es war immer so, dass gesundheitsbewusste Veganer sich entweder für Makrobiotik, Rohkost oder fettarme vegane Ernährung entschieden haben. Aber Sie empfehlen keinen von diesen Ansätzen. Wie würden Sie die Ernährung beschreiben, die Sie empfehlen?
Ich bin mehr pro Protein und pro Fett als die meisten herkömmlichen veganen Ernährungsexperten. Veganer sollten sicherstellen, dass sie genug von beiden zu sich nehmen und versuchen jede Mahlzeit ausgeglichen zu gestalten.
Veganer sollten versuchen, bei den meisten Mahlzeiten wegen ihres Proteingehaltes irgendeine Art von Hülsenfrüchten zu essen (z.B. Sojaprodukte, Bohnen, Erdnüsse, Linsen oder Erbsen). Falls man keine Hülsenfrüchte essen kann, gibt es auch andere Proteinquellen, aber man muss sorgfältiger sein.
Studien mit Veganern zeigen, dass sie im Durchschnitt knapp 30% ihrer Kalorien als Fett zu sich nehmen, und ich denke, das ist ein guter Wert, besonders wenn es hauptsächlich einfach ungesättigte Fette sind wie bei Nüssen, Avocados, Olivenöl und Rapsöl. Für Menschen mit Herzkrankheiten könnte es von Vorteil sein, weniger Fett zu essen als der durchschnittliche Veganer.
Viele Veganer nehmen an, dass, wenn es jemandem nicht gelingt als Veganer gesund zu sein, der Grund dafür der Konsum von zu viel Junk-Food anstatt von vollwertigen Lebensmitteln ist. Meiner Erfahrung nach ist das nicht wirklich der Fall - die Menschen, mit denen ich geredet habe, die an einer veganen Ernährung „gescheitert“ sind, essen allem Anschein nach nicht mehr Junk-Food als die Veganer, die ich beobachte und die nicht „scheitern“. Aber das sind nur Einzelfälle, keine Studie, die dieses Phänomen untersucht hätte. Einige der verarbeiteten Lebensmittel, besonders Fleischalternativen aus Soja und Weizen, enthalten sehr viel Protein, was für Veganer eventuell von Nutzen sein könnte.
Wie viele vollwertige Lebensmittel man essen sollte, hängt davon ab, wie aktiv man ist und wie groβ das persönliche Risiko für Diabetes und Herzkrankheiten ist. Je aktiver man ist, desto mehr verarbeitete Lebensmittel kann man essen – man braucht eventuell sogar verarbeitete Lebensmittel, um genug Kalorien und Protein aufzunehmen. Aber wenn man weniger aktiv ist oder das Risiko für diese Krankheiten hoch ist, dann sind weniger verarbeitete Lebensmittel eine gute Idee.
Ich denke auch, dass die meisten Veganer ohne angereicherte Lebensmittel oder Ergänzungspräparate nicht genügend Kalzium zu sich nehmen.
Ex-Veganer, die aus gesundheitlichen Gründen aufhören vegan zu sein, bekommen oft von Veganern zu hören, sie hätten es falsch gemacht. Manche dieser Veganer sagen auch, dass, falls die jetzigen Ex-Veganer Ihren Empfehlungen gefolgt wären, sie ein Scheitern mit der veganen Ernährung vermeiden können hätten. Sie haben gesagt, dass Sie keine derartige Garantie geben können - aber ist etwas Wahres an der Behauptung, dass Leute, die aus gesundheitlichen Gründen Veganismus aufgeben, etwas falsch gemacht haben müssen? Oder gibt es Grund zur Annahme, dass nicht alle Menschen mit einer veganen Ernährung gesund bleiben können?
Obwohl das selten ist, habe ich schon Leute getroffen, die alles, woran ich denken kann, versucht haben - und die Ernährungsweise funktioniert nicht bei ihnen. Andere Leute geben auf, bevor sie alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Weil ich öffentlich bekannt gemacht habe, dass ich versuche, Veganern, die Schwierigkeiten haben, zu helfen, höre ich wahrscheinlich von mehr solchen Menschen als fast sonst irgendjemand - und obwohl auf Grund dieser Erfahrung lachen muss, wenn ich höre, was manche andere Veganer über Gesundheit und vegane Ernährung sagen, ist die Anzahl der Leute, die es sowohl aus ethischen Gründen ablehnen, Tiere zu essen, und die alle ernsthaften Möglichkeiten ausprobiert haben und es immer noch nicht schaffen, dass diese Ernährung für sie funktioniert, ein sehr kleiner Prozentsatz.
Aber für die Menschen, die denken, dass Tierprodukte ihnen dabei geholfen haben, ihre Gesundheit zurückzugewinnen, nachdem es ihnen mit einer veganen Ernährung nicht gut ging, würde ich gerne darauf hinweisen, dass Tierprodukte keine Magie enthalten. Falls etwas in Tierprodukten vorkommt, das manche Menschen gesünder macht, kommt es auf die Moleküle in den Lebensmitteln an, nicht auf eine Art Lebenskraft, die vom Tier ausgeht. Ich hoffe, dass In-vitro-Fleisch, diese Probleme eines Tages lösen wird.
Was sind die häufigsten Probleme, mit denen Sie von Veganern kontaktiert werden, bevor sie alle Möglichkeiten bezüglich veganen Nährstoffen erschöpft haben? Funktionieren üblicherweise die gleichen einfachen Lösungen oder gab es schon ungewöhnliche Fälle?
Ich hatte bisher nur mit ein paar Leuten zu tun, die schon alle üblichen Ursachen überprüft hatten.
Falls es jemandem gesundheitlich nicht gut geht, obwohl sie oder er Vitamin B12 und Vitamin D einnimmt, normale Eisenwerte, eine gute Zufuhr an Protein, Fetten, DHA und Zink hat, dann empfehle ich Carnitin, das einer Person sehr geholfen hat. Gesättigte Fette können Cholesterinwerte und den Spiegel von Steroidhormonen erhöhen, falls diese niedrig sind, und kann den Sexualtrieb stärken – ich weiβ von einer Person, bei der dies der Fall war und bei ihm kam dann ein gesunder Sexualtrieb zurück. Kreatin, Cholin, Taurin, Beta-Alanin sind weitere mögliche Ergänzungspräparate, die theoretisch helfen könnten (Ich weiβ aber von keinen tatsächlichen Fällen, in denen sie geholfen haben.).
Am häufigsten habe ich Leuten bisher bei Vitamin-D-Mangel geholfen. Drei Leute, die ich kannte, litten an einer Kombination aus Schmerz in den Knochen und Erschöpfung und Vitamin-D-Präparate haben sie wieder gesund gemacht.
Was ich oft höre, ist, dass sich die Leute beschweren, sie hätten Blähungen. Verdauungsenzyme und mehr verarbeitete Proteinquellen zu sich zu nehmen (z.B. Fleischalternativen aus Soja oder Tofu anstatt von ganzen Bohnen) sind zwei Dinge, die man ausprobieren kann.
Bevor ich Veganismus aufgegeben habe, litt ich an chronischem Müdigkeitssyndrom, Depression und eingeschränkter geistiger Leistungsfähigkeit. Ich fing an, etwas Fisch zu essen, dann Putenfleisch und ich fühlte mich viel besser. Aber wenn ich Ihnen vorher geemailt und Sie um Rat gefragt hätte, was hätten Sie mir gesagt? Ich nehme an, Sie hätten mir zu einem Bluttest geraten (was ich nie gemacht habe). Aber nur von den Symptomen her – hätten Sie eine Theorie, was das Problem gewesen sein könnte?
Ich hätte zuerst herausgefunden, ob du Vitamin B12 aus einer verlässlichen Quelle zu dir genommen hast, weil diese Symptome sich wie ein ziemlich klassischer B12-Mangel anhören. Falls es nicht B12 gewesen wäre, hätte ich DHA empfohlen. Bluttests können hilfreich sein, aber sie sind nicht notwendig, bevor man B12 und DHA ausprobiert hat. Vitamin D und Eisen wären als nächstes auf der Liste – hier wären Bluttests hilfreicher.
Würden Sie noch gerne etwas hinzufügen?
Der Grund, warum ich mich dazu entschieden habe, dieses Interview zu geben, ist, dass ich vermute, dass du öffentlich aussprichst, was viele Leute über Veganismus denken. Es wäre einfach für uns in der veganen Bewegung so zu tun, als sollte man Leute, die eine derartige Meinung vertreten, als unerreichbar abschreiben, aber ich denke, dass unsere Kultur solche Gespräche führen werden muss.
Ich habe gerade deinen Post über vegane Hochzeiten gelesen und habe dann über den Unterschied nachgedacht zwischen deiner Sicht der Welt und der Sichtweise der meisten ethisch motivierten Veganer. Während manche Befürworter der Befreiung der Tiere das Thema rein rational angehen, habe ich den Eindruck, dass die meisten Veganer Tiere auf eine andere Art und Weise sehen, weil sie in ihrem Leben persönliche und bedeutungsvolle Erfahrungen mit einem oder mehreren Tieren hatten. Diese Erfahrungen führten dazu, dass sie Tiere als den Menschen sehr ähnlich ansehen - mit zum groβen Teil den gleichen Gefühlen und mit eigenen Gedanken. Für uns sind Tiere „Personen“.
In deinem Post über Hochzeiten schreibst du Folgendes über den Vergleich des Tötens von Tieren mit der Sklaverei von Menschen: „Natürlich ist das ein unerhörter Vergleich aber genau so sehen es viele ethisch motivierten Veganer (Man kann einige wirklich beleidigende Vergleiche nachvollziehen, wenn man einmal eine antispeziesistische Logik akzeptiert hat).“ Ich habe noch nie erlebt, dass jemand erklärt hätte, in welcher Hinsicht diese Vergleiche so beleidigend sind – viele behaupten einfach, dass sie es sind, und verlassen sich dann darauf, dass andere Menschen, die ein klares Eigeninteresse daran haben, die Welt so zu sehen, ihnen zustimmen.
Die Geschichte ist durchsetzt von Fällen, in denen eine Gruppe eine andere Gruppe ausbeutet und dies rechtfertigt, indem sie sich selbst davon überzeugt, dass die ausgebeutete Gruppe minderwertig wäre. Die Ausbeuter haben es nicht geschafft, diese Behauptungen der Minderwertigkeit als das zu erkennen, was sie sind: eigennützige Rationalisierungen. Wie wahrscheinlich ist es also, dass wir endlich die Spitze der moralischen Evolution erreicht haben und jetzt unsere Eigeninteressen auβen vor lassen können, um fehlerfrei erkennen zu können, welche Gruppen minderwertig sind?
Sogar wenn die Sklaverei von Menschen viel schlimmer als die Sklaverei von Tieren ist, lässt dies immer noch Raum für die Ansicht, dass Tiere mehr sind als nur ein Stück Fleisch, das man bei einer Hochzeit genieβen kann. Ich hoffe, die meisten Menschen würden ihren Hund nicht nur als ein Stück Fleisch ansehen, das man bei einer Hochzeitsfeier servieren kann.
Ein weiterer Unterschied ist, dass du denkst, beim Veganismus gehe es nur um Symbolik und es würde in Wirklichkeit nichts bringen. Wenn du das glaubst, dann kann ich verstehen, warum deine Einstellung Veganern gegenüber kritisch ist, die so ein Theater veranstalten wegen etwas, das du für rein symbolisch hältst.
Die Idee hinter ethisch motiviertem Veganismus ist nicht nur, dass man selbst Grausamkeiten gegenüber Tieren nicht weiter unterstützt, sondern dass man Teil einer wachsenden Bewegung ist, die eines Tages zur Normalität werden wird. Wenn jemand nicht wirklich selbst vegan (oder fast vegan) wird, kann sie oder er nicht Teil einer solchen Bewegung sein. Du hast gesagt, es sei deiner Meinung nach unvermeidbar, dass jeder beliebige Veganer eines Tages den Veganismus ablehnen wird. Während manche Menschen Veganismus eine Weile ausprobieren und dann aufhören, kenne ich viele Leute, die seit Jahrzehnten vegan sind - ohne Anzeichen, dass sie dies ändern wollen. Wir werden immer mehr und unser Einfluss wächst.